Kunstwerk des Monats Mai

Pier Paolo Calzolari, Rapsodie inepte, 1969

Pier Paolo Calzolari

*1943 in Bologna



Rapsodie inepte, 1969


Tabakblätter, Zinn, Neonröhren, Trafo
316x525x3cm

Eine «alberne, törichte Rhapsodie» aus Tabakblättern, Zinnstäben und farbig leuchtender Neonschrift ist hier an die Museumswand angebracht. Das bildkünstlerische Gegenstück zu den in Form und Vortrag freien Kompositionen in der Musik oder Literatur? Eine alberne, weil sinnlose Zusammenstellung ungewöhnlicher Materialien, die das Werk als Hervorbringung der Arte povera identifizieren?

Die direkte Präsentation elementarer und bedeutungsgeladener Materialeigenschaften ist das wohl augenfälligste Merkmal jener uneinheitlichen künstlerischen Bewegung, die der Kunstkritiker Germano Celant Ende der 1960er Jahre unter den Begriff der Arte povera fasste. Doch lässt sich die Bewegung nicht auf die Verwendung karger oder alltäglicher Stoffe und Gegenstände reduzieren. Vielmehr grenzt sie sich durch ihre Einfachheit und Unmittelbarkeit von einer an festgelegten Bedeutungen «reichen Kunst» ab.

Die Werke der Arte povera laden ein, auf vorgefasste Kategorien oder Wertungen zu verzichten, um die sinnliche Qualität von Stoffen und Materialien in ihrer Eigenständigkeit wahrzunehmen. Häufig erschliesst sich diese, wie hier, in Kontrastbeziehungen zwischen Organischem und Anorganischem, der Natur entnommenen Elementen und industriell gefertigten Produkten. Die zerbrechlichen, getrockneten Tabakblätter mit ihrer potentiell berauschenden Wirkung werden teilweise von Ruten aus Zinn, einem elegant glänzenden, reinen und leichten Metall, überlagert. Von den braunen Blättern oder aber vom weissen Grund der Wand hebt sich das Licht der Neonröhren ab, die als gedoppelte «Werbeschrift» den Titel der Arbeit verkünden. Die Schriftzüge bezeichnen sprachlich das Ganze und sind doch Teile der Gesamtform. Diese erinnert an die Schlagfigur eines Dirigenten, der einen dreiteiligen Takt anzeigt. Als Figur einer Bewegung, die Verschiedenes ineinander überführt, verbildlicht sie gleichsam die Leistung der Rhapsoden (griech. «Zusammenfüger von Gesängen»).

<b>Pier Paolo Calzolari, Rapsodie inepte, 1969 </b>
Das Kunstmuseum Liechtenstein stellt jeden Monat ein Werk aus der eigenen Sammlung in den Mittelpunkt der Betrachtung. Auch werden regelmässig Werke aus der Sammlung der Hilti Art Foundation auf diese Weise vorgestellt.