Kunstwerk des Monats März

Leiko Ikemura, Ohne Titel, 1996

Leiko Ikemura

* 1951 in Tsu/Mie, Japan


Ohne Titel, 1996


Aquarell auf Büttenpapier

52,7 x 42 cm

 

Das unbetitelte Aquarell von Leiko Ikemura zeigt eine reduzierte, sich bildende Form, einem Gesicht ähnelnd, in dem sich das Wesen einer Mimik erahnen lässt. Die Arbeit fügt sich in eine Serie von elf Aquarellen dieser Art aus dem Jahr 1996 ein. In zarten, lasierenden Schichten trägt Ikemura die Farben auf das Büttenpapier auf und lässt so die entrückt wesenhafte Form entstehen. Welche Assoziationen ruft das lediglich angedeutete Gesicht in seiner zart pastellfarbenen Flächigkeit in unser Bewusstsein? Erinnert es an ein Ur-Bild einer bekannt-entfernten (Frauen-)Gestalt, an eine traumhafte Figur oder vielleicht an eine dem Menschen innewohnende Qualität? Zeigt sich hier ein bildsprachlicher Ausdruck kindhafter Verspieltheit oder archaischer Weisheit? Wie die dem Aquarell inhärente Eigenschaft durchscheinender, in sich verlaufender Farbe scheint auch der inhaltliche Ausdruck hier als Andeutung stets zu changieren. Das Sich-Ankündigende, aber Nicht-Festgelegte – aufgenommen in einem offenen Raum – erlaubt dem Betrachter, dem prozesshaften Charakter der Malerei nachzuspüren und dabei seinen eigenen Gedankenverknüpfungen zu folgen.

Das Werk von Ikemura umspannt die klassischen bildkünstlerischen Medien Malerei, Skulptur und Grafik. Farbauftrag, Oberflächenstruktur, Haptik und Form sind dabei wesentliche Merkmale, die im Oeuvre der Künstlerin zusammenwirken. In ihrer Bildsprache erzählt Leiko Ikemura unter anderem von der kosmologischen Existenz menschenähnlicher Gestalten und Tierwesen, vom Entstehen von Leben und Lebensräumen, von Beziehung und Verlust und damit verbunden von einer anwachsenden Unsicherheit: «Monochromie und eine Figur, das wäre mir zu plump. Deshalb ist da diese Landschaftlichkeit [...]. Ich wollte diese Dimension des Raumes, etwas Undefinierbares und auch etwas Kosmologisches. Das ist auch unsere Zeit. Wir sind kurz davor, den Planeten zu verlassen. Es ist ein merkwürdiges Gefühl, dass die Menschen so verhaftet sind auf der Erde; und sehr geerdet sein müssen, um zu überleben einerseits, und andererseits ihren Kontakt zur Erde zu verlieren. Diese Situation macht uns sehr unsicher.»

Denise Rigaud

<b>Leiko Ikemura, Ohne Titel, 1996</b>
Das Kunstmuseum Liechtenstein stellt jeden Monat ein Werk aus der eigenen Sammlung in den Mittelpunkt der Betrachtung. Auch werden regelmässig Werke aus der Sammlung der Hilti Art Foundation auf diese Weise vorgestellt.