Kunstwerk des Monats Oktober

Jean Tinguely, Ohne Titel, 1983

Jean Tinguely

* 1925 in Fribourg, Schweiz, † 1991 in Bern, Schweiz


Ohne Titel, 1983


Assemblage: Eisen, Holz, Farbe, Elektromotor, Isolierband, Elektrokabel

100 × 40 × 30 cm

Kunstmuseum Liechtenstein, Vaduz / Erworben mit Mitteln der Ars Rhenia Stiftung, Vaduz

 

Die unbetitelte Assemblage von Jean Tinguely aus dem Jahr 1983, die er selbst gelegentlich «Unterhund» nannte, ist dem Spätwerk des Künstlers zuzuordnen. Das ‹Maschinchen› besteht aus diversen Fundstücken. Das zentrale statische Element aus Metall wirkt organisch gewachsen und zeigt sich in einer dunkelgrünen Farbigkeit mit einer roten Abplatzung in der Mitte. An diesem befestigt befindet sich ein Elektromotor, der eine spiralförmige Eisenstange gleichmässig gegen den Uhrzeigersinn im Kreis rotieren lässt. Ein weiteres Element ist ein schwarz gestrichenes Laubsägebrettchen mit einem Einschnitt ähnlich einem Figurenkegel. Durch diesen ist ein langer, dünner Eisenstab gezogen, der sich, vom Motor angetrieben, in einem langsameren Tempo als die Spirale bewegt, wobei der Stab durch seine Länge zum freischwebenden Ende hin in Schwingung gerät. Aufgrund der unregelmässigen Ausschläge des Stabes klappt das Holzbrettchen zudem immer wieder zur Seite. Zu hören sind hierbei das sanfte Schnurren des Motors, ein leises Schleifen des Stabes auf der hölzernen Unterlage sowie die Knackgeräusche des Brettchens, erzeugt durch dessen Umklappen. Dieses Zusammenspiel an Tönen und Bewegung vermittelt eine nahezu meditative und zugleich energetisierende Atmosphäre im Raum.

«In diesem Zeitalter bewegt sich alles mehr denn je – absolut und total. Ich meine die Bewegung ist wirklich etwas, das wir jetzt in umfassender Weise zu spüren bekommen durch die Maschine, durch das Maschinelle unserer Zeit», so Tinguely. Mit seinem kinetischen Werk lässt sich der Künstler in die Reihe wichtiger Wegbereiter der Kunst ab den 1950er-Jahren einordnen. Im Fokus seines künstlerischen Schaffens steht die Auseinandersetzung mit dem Maschinellen. Tinguelys Interesse gilt hierbei neben den grundlegenden Eigenschaften der Maschine im Speziellen ihrer Bewegung – in einer determinierten wie auch zufälligen Weise –, dem ‹musikalischen› Wert ihrer Geräusche als auch ihrem poetisch-spielerischen Charakter an sich.

Denise Rigaud

 

«Es bewegt sich alles, Stillstand gibt es nicht. [...] Hört auf, der Veränderlichkeit zu widerstehen. SEID IN DER ZEIT – SEID STATISCH, SEID STATISCH – MIT DER BEWEGUNG.»

Jean Tinguely, «Für Statik», Handzettel, März 1959.

<b>Jean Tinguely, Ohne Titel, 1983</b>
Das Kunstmuseum Liechtenstein stellt jeden Monat ein Werk aus der eigenen Sammlung in den Mittelpunkt der Betrachtung. Auch werden regelmässig Werke aus der Sammlung der Hilti Art Foundation auf diese Weise vorgestellt.