Kunstwerk des Monats März

Thomas Lehnerer, Gelbe Wachsfigur, o.T., 1991

Thomas Lehnerer

* 1955 in München, † 1995 in München, Deutschland


Gelbe Wachsfigur, o.T., 1991


Gelbes Wachs
64,5 x 12 x 7,5 cm
Kunstmuseum Liechtenstein, Vaduz

 

Sehr gerade, den Kopf ein wenig nach oben gerichtet, steht Thomas Lehnerers Figur auf dem Museumssockel. Geformt aus honigfarbenem Wachs, ist das Gesicht am deutlichsten ausgebildet. Tiefe runde Hohlräume lassen die Augen wach und lebendig erscheinen. Ein zartes Lächeln ist unter der Nase eingeritzt. Ohne jede Geste bleibt der Körper. Arme und Hände sind angelegt. Statt Füssen erkennt man im Kern der Figur ein Stück Holz. Darauf hat Lehnerer das Wachs aufgebracht. Spuren dieses Prozesses sind deutlich zu sehen. Nach und nach aufgetragenes plastisches Material bleibt ungeglättet sichtbar, ebenso wie Abdrücke der Finger des Künstlers. Die Plastik zeigt ihr Gemacht-Sein und sie lässt uns einen aufrechten Menschen sehen. Guten Mutes und offen blickt er in die Welt.

Kleinformatige Figuren spielen im Werk Lehnerers eine wichtige Rolle. Einzeln oder in Gruppen platzierte er sie auf Sockeln und in Vitrinen. Grösse ist ihm nicht wichtig, dafür Nähe und Unmittelbarkeit im Gegenüber. Elementar erscheint die Gestalt des Menschen, der schaut und denkt. Material und Idee spielen zusammen und lassen etwas Lebendiges entstehen. Durch unser Sehen entdecken wir Betrachtenden diese Lebendigkeit und setzen sie fort.

Thomas Lehnerer studierte Kunst, Theologie, Philosophie, Kunstgeschichte und Pädagogik. 1984 veröffentlichte er seine Doktorarbeit, 1992 die Habilitation, eine eigene Kunsttheorie mit dem Titel «Methode der Kunst». Das Machen war ihm ebenso wichtig wie Schreiben und Denken. Künstlerische Arbeit ist für Lehnerer jedesmal neu ein Experiment, dem Theorie, Spielfähigkeit und Freiheit zu Grunde liegen. Dieses Vorgehen kann auch als Forschung bezeichnet werden und sich auf alle Bereiche des Lebens ausdehnen. Zusammen mit einem Elektroingenieur, einem Physiker und einem Soziologen arbeitete er am Projekt einer Maschine, die in der Lage wäre, ein Bewusstsein von sich selbst zu entwickeln. Mit Michael Feistle gründete er 1987 die «Weltgesellschaft für Glück». Deren Ziel, dass alle Menschen, alle Kreaturen, immer glücklich sein sollen, ist eine ultimative Utopie. Dessen war sich Lehnerer bewusst. Dennoch hielt er daran fest, darüber nachzudenken, zu sprechen und Momenten des Glücks Ausdruck zu geben.


Susanne Kudorfer

 

«Glücklichsein ist eine heitere Bewegung aller Gedanken und Eindrücke, die in der Ruhe des Sehens entsteht.»

Thomas Lehnerer

 

<b>Thomas Lehnerer, Gelbe Wachsfigur, o.T., 1991</b>
Das Kunstmuseum Liechtenstein stellt jeden Monat ein Werk aus der eigenen Sammlung in den Mittelpunkt der Betrachtung. Auch werden regelmässig Werke aus der Sammlung der Hilti Art Foundation auf diese Weise vorgestellt.