Kunstwerk des Monats August

Rita McBride, Chair (Smoked), 2003

Rita McBride

* 1960 in Des Moines, Iowa, USA lebt in Düsseldorf, Deutschland


Chair (Smoked), 2003


Muranoglas, Plastikfolie
90 x 42 x 53cm

Ed. 3/3

Chair (Smoked) von Rita McBride findet formal Anleihen an der traditionellen Gestalt des ersten industriell hergestellten Sitzmöbels der Welt – dem Thonet-Stuhl, der mithilfe einer neuen Bugholztechnik Ende des 19. Jahrhunderts von Michael Thonet in unterschiedlichen Ausführungen entworfen und seitdem millionenfach produziert wurde. Der Einsatz von Schrauben anstelle des damals üblichen, aber sehr zeitintensiven Verleimens ermöglichte die Produktion einzelner Elemente in grosser Menge, die dann versandt und erst vor Ort zusammengebaut wurden. So gilt der Wiener Kaffeehausklassiker in seiner einfachen und ästhetischen Gestaltung als Wegbereiter für die serienmässige Fertigung von Sitzmöbeln und steht in der Folge für die Verkörperung einer modernen Massenware. Statt dem robusten, langlebigen Bugholz verwendet die amerikanische Künstlerin für ihren Chair das kostbare, in aufwendiger Handarbeit hergestellte Muranoglas. Dabei sind die einzelnen transparenten Komponenten an den zu verschraubenden Stellen seines industriellen Vorbilds mit handelsüblicher Plastikfolie – wie man sie etwa zur Sicherung von Gepäckstücken im Flugverkehr vorfindet – verbunden. In ihrer Anmutung erinnern diese ebenfalls durchsichtigen Fixierungen an schützende Bandagen verletzter Körperteile. Durch die Wahl des Materials, die fragile Montage und das Aussparen der Sitzfläche entzieht die Künstlerin dem Objekt seine kulturelle Funktion. Es wird zur singulären Skulptur, die ob ihrer formalen Verfasstheit historische, soziale und kulturelle Bedeutungsebenen des spezifischen Sitzmöbels befragt. Welche Versprechen etwa beflügelten die (ästhetischen) Visionen der aufklärerischen Moderne in uns Menschen und in welchen Ausprägungen sind diese heutzutage verwirklicht?

Rita McBride bedient sich in ihrem künstlerischen Œuvre auf unterschiedliche Weise der kulturell eingeprägten Formensprache alltäglicher Objekte. Sie analysiert architektonische Elemente und deren funktional wie emotional aufgeladene Beschaffenheiten und befragt deren inhaltliche Dimensionen mittels formaler Verschiebungen.

Denise Rigaud

<b>Rita McBride, Chair (Smoked), 2003</b>
Das Kunstmuseum Liechtenstein stellt jeden Monat ein Werk aus der eigenen Sammlung in den Mittelpunkt der Betrachtung. Auch werden regelmässig Werke aus der Sammlung der Hilti Art Foundation auf diese Weise vorgestellt.