Kunstwerk des Monats November

Gotthard Graubner, Lichter Körper, 1968, Hilti Art Foundation

Gotthard Graubner

* 1930 in Erlbach, † 2013 in Neuss, Deutschland


Lichter Körper, 1968



Schaumstoffkissen auf Leinwand, mit Perlon überspannt und bemalt
100 x 100 x 12 cm

Hilti Art Foundation

Gotthard Graubners künstlerisches Interesse zielte primär auf organische Lebensprozesse. Wo er seinen Blick auf Gegenständliches, etwa auf einen Baum oder auf einen menschlichen Körper richtete, sah er diesen nicht vorrangig als Umriss und Form, sondern als innerlich bewegten und raumgreifenden Organismus. In diesem Sinne müssen die von ihm gemachten Aussagen verstanden werden, dass das Erfassen eines Baumes bei den Wurzeln beginne, und dass am Baum nicht so sehr die Form als vielmehr das Wachsen von Bedeutung sei. Wachstum als solches ist freilich nicht sichtbar und daher auch nicht abbildbar. Allein im Prozess des künstlerischen Schaffens selbst ndet es eine Entsprechung, wird es anhand des je einzelnen Werkes sinnlich und gedanklich nachvollziehbar. Diese dem Werden, nicht dem Sein verpflichteten Aussagen Graubners basieren auf einer genetischen, d.h. von innen heraus am Ursprung des organischen Lebens interessierten Wahrnehmung.

Zur künstlerischen Umsetzung seiner Wahrnehmung benutzte Graubner Papier und Karton, Taft und Perlon, Schwamm und Watte, Vlies und Leinwand, Pigment und Bindemittel als Werkmaterialien, die organischem Leben stof ich entsprechen. Aus ihnen resultierten Aquarelle und Gouachen, «Kissenbilder» und «Farbleiber» sowie, ab den frühen 1970er- Jahren bis zu Gotthard Graubners Tod, «Farbraumkörper», in welchen seine Anschauung der organischen Natur, vor allem des menschlichen Körpers, durch Abstraktion und Reduktion plastisch räumliche Bildgestalt erhielt.

Lichter Körper präsentiert sich als zartstof iches Bildobjekt, als eine unter dünner Haut geschützte «Zelle», die hinter sich, auf dem Grund des Werkes, eine kaum sichtbare bipolare Aura erzeugt, in der sich eine Teilung des noch kompakten «Zellkörpers» und damit Wachstum anzudeuten scheint. Licht, das als primäre Ursache dieses Wachstums verstanden werden kann, durchwebt die ebenso schützende wie verletzliche Haut und bewirkt auf und jenseits ihrer Ober äche feinste Weissabstufungen, die sich ins Immaterielle verlieren.

Uwe Wieczorek

<b>Gotthard Graubner, Lichter Körper, 1968, Hilti Art Foundation</b>
Das Kunstmuseum Liechtenstein stellt jeden Monat ein Werk aus der eigenen Sammlung in den Mittelpunkt der Betrachtung. Auch werden regelmässig Werke aus der Sammlung der Hilti Art Foundation auf diese Weise vorgestellt.