Kunstwerk des Monats Dezember

Ferdinand Nigg, Seltsamer Ritt III, undatiert

Ferdinand Nigg

* 1865 in Vaduz, † 1949 in Vaduz, Liechtenstein


Seltsamer Ritt III, undatiert


Woll- und Baumwollstickerei auf Stramin
92 x 55 cm

Die in hellen Farbtönen gehaltene Stickerei Seltsamer Ritt III zeigt ein von Ferdinand Nigg wiederholt aufgenommenes Motiv: drei menschliche Figuren, die auf Wolfshunden ähnlichen Tieren reiten. Augenfällig ist hierbei, dass trotz erkennbarer Szenerie der Bildraum, von Linien und geometrischen Formen gegliedert, zwischen Abstraktion und Figuration oszilliert. Der meisterliche Einsatz des Kreuzstichs, in halber und ganzer Ausführung, sowie der Gebrauch verschiedener Wollgarnqualitäten verstärken das ineinandergreifende Arrangement aus dynamischer Erzählung und abstrakt-ornamentaler Struktur.

In diesem Gefüge lässt sich in der unteren Hälfte des Bildes eine Figur erkennen, welche zurückblickend ihre linke Hand emporhebt – einer Geste des Entdeckens gleich. Das Haupt des Reittieres ist mit einer Krone versehen. Etwas versetzt darüber sind ein Reiter und Tier in entgegengesetzter Richtung auszumachen, wobei die Person ihre Hände über dem Kopf verschränkt. Im oberen Drittel zeigt sich eine weitere jungenhafte Gestalt, die sich mit dem Oberkörper horizontal liegend am Tier festhält. Hierbei unterstreicht der von unten nach oben sich verändernde Richtungsverlauf das inhärente Bewegungsmoment der Erzählung. Alle drei Personen richten ihren Blick nach oben und tragen spitz zulaufende, gelbe Kopfbedeckungen in verschiedener Ausformung und Grösse, die möglicherweise auf ein repräsentierendes Amt hindeuten. Eingerahmt wird der «Ritt» von auf Zivilisation verweisenden Häusern, die zum Teil an menschliche Gesichtszüge erinnern. Wofür steht diese ungewöhnliche, beinahe märchenhaft anmutende Tier-Mensch-Konstellation, deren gestische Komposition der Künstler in seinen mehrfachen Ausführungen nahezu exakt beibehält? Zeigen sich hier friedvolle, da unbewaffnete Boten eines sich anbahnenden, womöglich weittragenden Ereignisses?

Die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Tier und seinem Verhältnis zum Menschen ist in Ferdinand Niggs Werk wiederkehrend präsent. Dabei zeigt das Motiv des «Seltsamen Ritts» ein gleichwertiges, beinahe verschmolzenes Naheverhältnis dieser beiden auch Kultur und Natur repräsentierenden Aspekte von Leben.

Denise Rigaud

 

<b>Ferdinand Nigg, Seltsamer Ritt III, undatiert</b>
Das Kunstmuseum Liechtenstein stellt jeden Monat ein Werk aus der eigenen Sammlung in den Mittelpunkt der Betrachtung. Auch werden regelmässig Werke aus der Sammlung der Hilti Art Foundation auf diese Weise vorgestellt.