Kunstwerk des Monats April

Diango Hernández, Drawing (The underdevelopment is a long game, ...), 2005

Diango Hernández,

*1970 in Sancti Spíritus, Kuba


 Drawing (The underdevelopment is a long game, ...), 2005 


Stahlrohr mit Plastikbuchstaben, Spielzeugschienen
150×125×25cm

Auf einem verrosteten Rohr steht mit silbrig-glänzenden Buchstaben «Die Unterentwicklung ist ein langes Spiel, möchten Sie spielen?». Blechschienen einer Spielzeugeisenbahn umrunden das Stück einer gebrochenen Leitung: Ein Zug könnte hier nur immerzu seine sich wiederholenden Runden fahren. Ein eingleisiger Kreislauf. Wie gross ist der Entwicklungsspielraum in einem solch abgeschlossenen System? Wer sind die Gewinner, wer die Verlierer im Spiel «The Underdevelopment»?

Sowohl in seinem sprachlichen Gebrauch als auch in der Wahl des Spielzeuges verweist Hernández auf eine spielerische Komponente. Doch was impliziert der Begriff des Spiels? Wie es im Duden formuliert ist, weist das Wort unter anderem auf eine «Tätigkeit, die ohne bewussten Zweck zum Vergnügen, zur Entspannung, aus Freude an ihr selbst und an ihrem Resultat ausgeübt wird.» Wann ist ein Spiel noch Spiel, wann wird aus einem Spiel ernst und verkehrt damit den Bedeutungshorizont?

Der Künstler Diango Hernández ist in Kuba geboren und aufgewachsen. Die Wurzeln seines Werks liegen im Kuba der 1990er-Jahre. Eine Zeitperiode – die kubanische Regierung bezeichnet sie auch als Sonderperiode in Friedenszeiten –, in der die Bevölkerung des Landes mit den Folgen einer immensen Wirtschaftskrise kämpfte. Ausgangspunkt war die Einstellung der vertragsgemässen Erdölimporte im Zuge des Zerfalls der Sowjetunion. Ein Umstand, der zu einer Krise in der Energieversorgung und damit einhergehend zu einem schnellen Abfall der Produktivität führte. Zudem verschärften die USA ihre verhängte Wirtschaftsblockade. Die Folgen waren ein allgemeiner Zusammenbruch von Industrie, Verkehr und Landwirtschaft. Das inflationsbereinigte Realeinkommen eines Kubaners sank um 90 Prozent, es kam zu einer Nahrungsmittelknappheit.

Die Arbeit Drawing (The underdevelopment is a long game, ...) kann im gesellschaftspolitischen Kontext Kubas gelesen werden und führt gleichzeitig mit dem Einsatz weniger Mittel zu dem Impuls, Fragen aufzuwerfen, wie etwa die nach den Auswirkungen auf einen lebendigen Kreislauf bei Abbruch von Anbindung, von wechselseitiger Beeinflussung im Allgemeinen.

Denise Rigaud

<b>Diango Hernández, Drawing (The underdevelopment is a long game, ...), 2005 </b>
Das Kunstmuseum Liechtenstein stellt jeden Monat ein Werk aus der eigenen Sammlung in den Mittelpunkt der Betrachtung. Auch werden regelmässig Werke aus der Sammlung der Hilti Art Foundation auf diese Weise vorgestellt.