Kunstwerk des Monats April

Joseph Cornell, Metaphysique d'Ephemera: NOVALIS, 1941

Joseph Cornell

*1903 in Nyack, New York, † 1972 in New York


 Metaphysique d'Ephemera: NOVALIS, 1941 


Holzbox, Glas, Samt, Feder, Uhrglas, Papier, Garn
6.6x20.5x11.3cm

Eine weisse Feder, Fragmente einer silbernen Taschenuhr, eine gefaltete Textseite – Gegenstände von unterschiedlichster materieller Beschaffenheit präsentieren sich, wie Schmuckstücke auf Samt gebettet, in diesem Holzkästchen. Das farbige Glas verleiht ihnen einen rätselhaften Schein. Er mag Anlass geben, die Dinge als Symbole zu verstehen, die eine über das Materielle hinausgehende Bedeutung tragen – wie die «Blaue Blume» etwa, in der sich die Geisteshaltung einer ganzen Epoche verkörperte.

Die Romantik war geprägt von der Sehnsucht nach einer heilen Welt, die in einer Hinwendung zu Religion und Mystik ebenso ihren Ausdruck fand wie in einem neuen Geschichtsbewusstsein. Novalis (Friedrich von Hardenberg, 1772–1801), Schriftsteller und wichtiger Theoretiker der deutschen Romantik, führte in einem Roman jenes Sinnbild ein, das noch heute mit ihr in Verbindung gebracht wird.

Unter seinem Namen sind Gegenstände versammelt, die auf je eigene Weise für Flüchtigkeit und Vergänglichkeit – das Ephemere – stehen. Mit «Ephemera» wird aber auch eine Kategorie von Sammelobjekten bezeichnet. Als Nutzgegenstände für einen einmaligen oder kurzen Gebrauch bestimmt, werden sie in der Sammlung zu bruchstückhaften Dokumenten alltäglichen Lebens.

Ein Sammler solcher Objekte war Joseph Cornell. Nach dem Tod des Vaters lebte Cornell mit seiner Mutter und seinem jüngeren Bruder Robert zusammen und arbeitete zur Unterstützung der Familie als Textilverkäufer in Manhattan. Cornell reiste nie – New York bot alles, um sein grosses Interesse an Kunst und Kultur zu befriedigen. Tagsüber besuchte er Galerien und Bibliotheken, nachts die Oper oder das Ballett. In Antiquariaten und Trödelläden erstöberte er das Material für seine Collagen oder die Schaukästen, welche ein scheinbar bizarres Beieinander verschiedener Dinge bilden. Cornell aber nannte sie «constructions» und betonte damit die bewusste Anordnung ausgewählter Elemente. Diese macht auch das Novalis gewidmete Kästchen zu einer Art dreidimensionalem Still- leben, das sich dem Vergehen der Zeit widersetzt.

<b>Joseph Cornell, Metaphysique d'Ephemera: NOVALIS, 1941 </b>
Das Kunstmuseum Liechtenstein stellt jeden Monat ein Werk aus der eigenen Sammlung in den Mittelpunkt der Betrachtung. Auch werden regelmässig Werke aus der Sammlung der Hilti Art Foundation auf diese Weise vorgestellt.