Kunstwerk des Monats Juni

Pino Pascali, Ponte levatoio, 1968

Pino Pascali

1935 in Bari, Italien – 1968 in Rom, Italien


Ponte levatoio (Zugbrücke), 1968


Stahlwolle, Sperrholz
221 × 118 × 10 cm
Kunstmuseum Liechtenstein, Vaduz

 

Pino Pascali war ein Visionär, der in seinen Werken kontinuierlich Ironie, Spiel und Mythen verknüpfte, um neue Geschichten und Welten zu erzählen. Den von ihm verwendeten einfachen Materialien wohnt oft eine Dimension der Kindheit inne sowie des Häuslichen: Topfreiniger aus Stahlwolle bilden die geflochtene Oberfläche der Ponte levatoio von 1968. Das Werk wurde erstmals auf der Venedig-Biennale 1968 ausgestellt und veranschaulicht, unter anderem, Pascalis Hang zu Wortspielen und dem Spielerischen an sich. Er hatte die Stahlwolle für sich entdeckt, die «lana d'acciaio», die im Italienischen mit der «liana» spielt, der Liane, die auf seine Faszination für die Tarzan-Filme mit Johnny Weissmuller verweist. Gleichzeitig ist die Stahlwolle ein alltägliches Material, das zum Putzen eingesetzt wird: In der Ponte levatoio wird es zum «Schutzmittel» einer Burg, aber auch «ponte lavatoio», ein gewöhnliches Waschbrett.

Die Zugbrücke wirkt fragil, als könnte sie jederzeit in ihre Bestandteile zerfallen. Auch wenn die Brücke aus Stahl und Holz konstruiert ist, unterläuft Pascali ihren wehrhaften Charakter, kehrt die Logik der Arbeit um in ein spielerisches Moment. Für den Künstler ist es von Bedeutung, dass diese Zugbrücke ohne Schloss, Tor oder Wassergraben zwischen Magie und Alltag oszilliert, damit die Geschichte, die sie erzählt, von der Vorstellungskraft der Betrachter:innen weitergesponnen werden kann. Pascali hatte effektiv eine animistische Sichtweise der Dinge und war in seinen Werken bestrebt, eine Art «Ur-Energie» der Objekte zu zelebrieren.

Die zur Werkgruppe La ricostruzione della natura (Rekonstruktion der Natur) gehörende Zugbrücke nimmt eines der wichtigen Themen Pascalis auf: das problematische Verhältnis zwischen Natur und industrieller Herstellung, das schon in seiner Serie Elementi naturali von 1967 präsent war. Er benützt serielle und künstliche Materialien, um einer archaisch und ländlich anmutenden Welt Form zu geben, nicht ohne ironische und humorvolle Akzente.

Letizia Ragaglia

 

«Am liebsten gehe ich vom Material aus, weil im Material die Grenze schon vorgegeben ist. Wenn man ein bestimmtes Material wählt, projiziert man seine eigenen Möglichkeiten innerhalb genau definierbarer Grenzen.»

Pino Pascali

<b>Pino Pascali, Ponte levatoio, 1968</b>
Das Kunstmuseum Liechtenstein stellt jeden Monat ein Werk aus der eigenen Sammlung in den Mittelpunkt der Betrachtung. Auch werden regelmässig Werke aus der Sammlung der Hilti Art Foundation auf diese Weise vorgestellt.