Kunstwerk des Monats Oktober

Ben Vautier, Ben reçoit ici, 1962/1970

Ben Vautier

* 1935 in Naples


 Ben reçoit ici, 1962/1970


Acryl auf Fotorahmen, Stuhl, lackierter Holzsockel Fotorahmen
23.7 x 29.5 x 2.5 cm Stuhl 87 x 38 x 40 cm Sockel 6 x 58 x 59.5 cm

«Ben reçoit ici» (Ben empfängt hier) liest man auf einem schwarz gestrichenen Bild. Die Farbe der Schrift ist pastos aufgetragen, die Rahmenleiste mit derselben Farbe reliefartig gehöht. Worauf bezieht sich das «ici»? Wo empfängt Ben? Wen empfängt er? Wo ist Ben? Der gemalte Pfeil zeigt nach unten, auf die Sitzfläche eines einfachen Holzstuhls, der deutliche Gebrauchsspuren aufweist. Seine Platzierung erinnert an Schilder, wie sie verwendet werden, um Plätze für Personen zu reservieren.

Ben Vautier zählt zu den herausragenden Mitgliedern der FLUXUS-Bewegung, die seit dem Ende der 1950er Jahre radikal die Grenze zwischen Kunst und Leben aufbrach. Mit Aktionen, Events und Festivals wurden neue Wege beschritten, den traditionellen Werkbegriff zu erweitern.

Auf einem Stuhl sitzend hatte Ben während solcher Aktionen als lebende Skulptur die Menschen dazu aufgefordert, mit ihm zu diskutieren. Dieser Stuhl ist einer jener Stühle, die er für seine Aktionen nutzte. Er ist das Relikt eines vergangenen Ereignisses, das nun im Ausstellungsraum eine neue Dimension erfährt. Der Moment des Vergänglichen, der diesen Aktionen inne wohnt, wird nun dingfest gemacht. Der Stuhl, ein gewöhnlicher Stuhl, wird aufgeladen. Das Schriftbild, ein schwarz gestrichener Fotorahmen, wird zum Erinnerungsbild. Es ersetzt die Fotografie, die Zeugnis ablegen würde von der Aktion Vautiers.

Für Vautier ist Sprache ein zentrales Ausdrucksmittel. Sie wurde zum Bildmotiv selber, als er anfing, einfache Sätze, Fragen oder Aufforderungen mit weisser Farbe auf einfarbigen Malgrund zu schreiben. Mit Formulierungen wie: «Apprenez à voir le beau partout dans chaque détail» (Lernen Sie, das Schöne überall zu erkennen, in jedem Detail) wird der Betrachter nicht nur direkt angesprochen, sondern – wie in seinen Aktionen – unmittelbar miteinbezogen. «Ben reçoit ici» thematisiert eine seit den 1960er Jahren gegenwärtige Frage, wie mit einem erweiterten Werkbegriff umgegangen werden kann, auf die der Künstler in einem Schriftbild von 1964 schon eine Antwort zu geben schien: «Ben est art/Ben is art/Ben ist Kunst».

 

<b>Ben Vautier, Ben reçoit ici, 1962/1970</b>
Das Kunstmuseum Liechtenstein stellt jeden Monat ein Werk aus der eigenen Sammlung in den Mittelpunkt der Betrachtung. Auch werden regelmässig Werke aus der Sammlung der Hilti Art Foundation auf diese Weise vorgestellt.