Kunstwerk des Monats Mai

André Thomkins, Knopfei, 1958/1977

André Thomkins

*1930 in Luzern, †1985 in West-Berlin


Knopfei, 1958/1977


Ei mit aufgenähtem Knopf und Fadenspule
11,5x5x5cm

Mit seinem 1958 erstmals geschaffenen und in der Folge mehrfach ausgeführten Knopfei hat André Thomkins das vermeintlich Unmögliche realisiert: Einen gewöhnlichen Wäscheknopf hat er «mit Nadel, Zwirn und Einfädler» an ein ausgeblasenes Hühnerei genäht. Auf der mit dem Nähfaden umwickelten Fadenspule wie auf einem hohen Sockel platziert, trägt das Ei aber nicht nur besonderes handwerkliches Geschick zur Schau, sondern auch die eigene Absonderlichkeit.

«Es bestand am 18. September 1958 die Wahrscheinlichkeit, dass eine Begegnung von Knopf und Ei niemals zuvor stattgefunden habe. Der Grad dieser Wahrscheinlichkeit war mein Anlass zu dem Schneiderkunststück, und obwohl das Nähen die fadenscheinigste Form der Annäherung ist, scheint es darum nicht weniger naheliegend», hielt Thomkins 1966 mit der ihn auszeichnenden Wortgewandtheit fest. Das Knopfei ist eine absurde Kombination nicht zusammengehörender Elemente nach dem Vorbild der metaphorischen «zufälligen Begegnung einer Nähmaschine und eines Regenschirms auf einem Seziertisch» – einer Formulierung des Dichters Lautréamont, die von den Surrealisten aufgegriffen wurde, um ihre Praxis des Zusammenführens disparater Gegenstände zu absolut neuen (Bild-)Schöpfungen zu beschreiben.

Mit dem Knopfei nahm Thomkins einerseits surrealistische Gestaltungsprinzipien auf; andererseits aktivierte dieses selbst einen kreativen Prozess fortwährender Transformation. Ab Mitte der 1960er-Jahre entstanden die shadowbuttoneggs, eine aus dem Schattenwurf des Knopfeis hervorgehende Bildserie. Den Schatten erster Ordnung, den das Objekt unter verschiedenen Lichteinfallswinkeln auf Papier warf, schnitt Thomkins aus, um den Bogen mit dem Loch ein zweites Schattenbild erzeugen zu lassen, dieses ein drittes usf. Im Entwurf für ein (um einen kleinen Motor erweitertes) Moto-Button-Egg (1976), in der Zeichnung oTTo (1968), die das Knopfei zum Eierkopf macht, sowie weiteren Umsetzungen zeigt sich das Knopfei als ein Leitmotiv in Thomkins' äusserst vielfältigem Schaffen.

 

<b>André Thomkins, Knopfei, 1958/1977</b>
Das Kunstmuseum Liechtenstein stellt jeden Monat ein Werk aus der eigenen Sammlung in den Mittelpunkt der Betrachtung. Auch werden regelmässig Werke aus der Sammlung der Hilti Art Foundation auf diese Weise vorgestellt.