Kunstwerk des Monats Juni

Ferdinand Kriwet, BLEISTIFT-TEXT NR. 8, 1976

Ferdinand Kriwet

*1942 in Düsseldorf


BLEISTIFT-TEXT NR. 8, 1976


Bleistift auf grundierter Leinwand
90x90cm

«Vorwand für Form ist Sprache in keinem Fall bei mir. Ich war ursprünglich Schriftsteller und bin jetzt vielleicht noch mehr Schriftsteller als damals, insofern ich Schrift wirklich stelle und nicht nur im Buch niederlege», sagte Ferdinand Kriwet 1970 in einem Interview. 1961 war sein erstes Buch Rotor veröffentlicht worden, ein Fliesstext ohne Grossbuchstaben oder Satzzeichen, ein jeglicher Handlung entbehrender Roman. Für seine Bildwerke hingegen machte er, im Anschluss an die Konkrete Poesie, die Buchstaben, Silben und Wörter selbst zum künstlerischen Material.

Dort werden sie zu Elementen eines Zeichen-Spiels an den Grenzen sprachlicher Sinnvermittlung. Während in den frühen poem paintings (1964–68) etwa Wort- und Satzfragmente in verschiedenen Schrifttypen und -farben, Ausrichtungen und Verzerrungsgraden zu expressiven Grossformaten komponiert sind, experimentiert Kriwet in den Bleistift-Texten ausschliesslich mit Varianten von Überlagerung und Über- schneidung. Mit dem Format und Trägermaterial eines Gemäldes erscheint die Zeich- nung BLEISTIFT-TEXT NR. 8 als Ausschnitt einer potenziell unendlichen Flächenstruktur, die aus den Umrissen weniger, sich wiederholender Grossbuchstaben gebildet wird. In unmittelbar aufeinander folgenden Zeilen angeordnet, überlagern sich die Schriftzeichen auf der horizontalen Achse, und wo die Konturen mehrerer Einzelbuchstaben zusammenfallen, verstärkt sich die Linie und trägt zu einer Rhythmisierung des Ganzen bei. Der lineare, lesbare Text hat sich zu einem Ge echt oder Gewebe (lat. «textus») gewandelt, das nur mehr im Sehen erfahrbar wird.

Kriwet hat sich jedoch bei weitem nicht nur mit der Schrift und ihrer Bildhaftigkeit auseinandergesetzt. Für seine Hörtexte etwa verarbeitete er Klangmaterial aus Rundfunk und Fernsehen zu auditiven Collagen, die wiederum als Radiobeiträge ausgestrahlt wurden. Auch durch multimediale Installationen und Ereignisse wie das 1968 uraufgeführte, aus Text-, Film- und Soundelementen gefügte Mixed Media hat Kriwet besondere Geltung als ein Pionier der Medienkunst erlangt.

<b>Ferdinand Kriwet, BLEISTIFT-TEXT NR. 8, 1976</b>
Das Kunstmuseum Liechtenstein stellt jeden Monat ein Werk aus der eigenen Sammlung in den Mittelpunkt der Betrachtung. Auch werden regelmässig Werke aus der Sammlung der Hilti Art Foundation auf diese Weise vorgestellt.