Kunstwerk des Monats September

Alexander Calder, Ohne Titel, 1935, Hilti Art Foundation

Alexander Calder

*1898 in Lawton/Pennsylvania, †1976 in New York, USA


Ohne Titel, 1935


Holz, Draht

102,4 × 60 × 19 cm
Hilti Art Foundation

Mit der Kunst Alexander Calders verbinden wir in erster Linie die grossen und kleinen Mobiles, die mit ihrem spielerischen Gestus immer wieder andere Figuren erzeugen, sowie die aufragenden, signifikanten Stabiles, die viele öffentliche Orte seit den 1950er-Jahren beleben. Die Arbeiten aus der Zeit des Surrealismus hingegen sind mit Ausnahme des berühmten Cirque Calder, 1926–1931, weniger bekannt, obgleich sie die Grundlagen für sein späteres Werk schaffen. Calder lebte 1930–1933 in Paris und hielt engen Kontakt zu Joan Miró, Hans Arp, aber auch zu Fernand Léger, Piet Mondrian und dem gestrengen Haupt der Surrealisten, André Breton.

1933 kehrte Calder für einige Jahre nach Amerika zurück und kaufte nördlich von New York ein Bauernhaus. Aus dieser Zeit stammt das hier gezeigte Werk. Es ist aus den zufällig im Atelier vorhandenen Gegenständen zusammengebaut worden. Die verschie- den farbigen Hölzer sind in ihrem natürlichen Zustand belassen. Solche «objets trouvés» verbinden Kunst mit dem realen Leben. Sie sind Relikte des Alltags, die uns unbekannt bleiben, aber dennoch Teil des Kunstwerks werden.

Das Werk besteht aus einem schlanken vierkantigen Holzsockel, auf den eine labile Holzkonstruktion gesetzt ist. Auf einem schmalen, halbrunden Holzstück ist ein leicht ansteigendes Brett montiert, wohl eine ehemalige Sessellehne, auf dem wiederum ein geschwungenes, spitz auslaufendes Brett und eine ovale, auf einem Metalldraht steckende Holzform fixiert sind. Die beiden aufeinander bezogenen, miteinander kommunizierenden Objekte erinnern an Teile einer Pflanze. Das aufsteigende, nach oben wachsende Blatt und die nussförmige Frucht spielen beispielhaft auf den Kreislauf der Natur an, setzen dem Prozess von Wachstum und Vergänglichkeit ein bildnerisches Denkmal. Die phallische Form des Brettes und die weibliche Eiform des ovalen Holzes stehen in einem präziseren Sinn auch für das Männliche und das Weibliche und ihr labiles Gleichgewicht, das, so könnte man meinen, auch jederzeit zusammenbrechen kann.

Angela Schneider

<b>Alexander Calder, Ohne Titel, 1935, Hilti Art Foundation</b>
Das Kunstmuseum Liechtenstein stellt jeden Monat ein Werk aus der eigenen Sammlung in den Mittelpunkt der Betrachtung. Auch werden regelmässig Werke aus der Sammlung der Hilti Art Foundation auf diese Weise vorgestellt.