Kunstwerk des Monats Januar

Wols, La flamme, 1946/47, Hilti Art Foundation

Wols

*1913 in Berlin, Deutschland, †1951 in Paris, Frankreich


La flamme, 1946/47


Öl auf Leinwand
41×33cm

Hilti Art Foundation

Wols, mit bürgerlichem Namen Wolfgang Schulze, hat ca. 1800 Fotografien, 2000 Zeichnungen und Aquarelle sowie 80 bis 100 Gemälde geschaffen. Vieles ist während seines kurzen und turbulenten Lebens von 38 Jahren verloren gegangen. Die ersten Gemälde sind kurz nach dem Krieg 1946/47 entstanden und wurden in der noblen Galerie von René Drouin in Paris ausgestellt. Sie blieben damals ohne besondere Resonanz. Unter den kunstgeschichtlichen Schlagwörtern Informel oder Tachismus sind sie erst später bekannt geworden.

Das kleine, unsignierte Bild zeigt auf einem hellgrauen, mit Weiss durchmischten Grund eine in ihrer Binnenstruktur komplizierte Form, die sich symmetrisch entfaltet, aber durch ein Kreuz aus roter Farbe in eine leichte Schräglage gerät. Aufsteigende grössere und kleinere, durch den Abdruck von Farbtuben entstandene runde Formen, die als Strudel, Tropfen oder Augen lesbar werden, akzentuieren die wild gemalte Mitte. Die wie Baumrinde strukturierten Farbstränge auf der rechten und linken Seite werden durch eine fragile, teilweise unterbrochene Umrisslinie begrenzt. Aus ihrem Rand spriessen dünne, sich biegende Linienbündel, in die mit einem Pinselstil Einritzungen vorgenommen wurden. Sie erinnern an elektromagnetische Felder. Dabei stellen sich Assoziationen ein, die an Bäume, Gestrüpp, aufgeschnittene Kerne oder Früchte und nicht zuletzt auch an Körperteile denken lassen. «Wols mit der Lupe», so nannte der Philosoph Bernard Collin seine Aphorismen zu Wols, in denen er ein andauerndes Gespräch mit dem Künstler führte. La flamme ist ein Titel, der nicht von Wols selbst stammt. Er gab seinen Werken normalerweise keine Titel, um sie vor einer schnellen und einfachen Interpretation zu schützen. Vermutlich geht der Titel, wie auch der Zweittitel Le bouquet, auf Olga Drouin zurück. In das Bild hat Wols links oben mit Bleistift «CACCA» geschrieben. Dies ist nicht allein als ironischer Kommentar zu deuten, vielmehr gibt uns Collin in seinen Aphorismen einen Hinweis auf Antonin Artaud, den Wols verehrte und auch kannte. Collins Worte lauten: «Caca, hier der Aufschrei von Artaud / Reist Gott ab oder bleibt er?»

Angela Schneider

 

<b>Wols, La flamme, 1946/47, Hilti Art Foundation</b>
Das Kunstmuseum Liechtenstein stellt jeden Monat ein Werk aus der eigenen Sammlung in den Mittelpunkt der Betrachtung. Auch werden regelmässig Werke aus der Sammlung der Hilti Art Foundation auf diese Weise vorgestellt.