*1955 in Abington, PA, USA
Bones, 2000
Kunstmuseum Liechtenstein, Vaduz
Direkt auf dem Boden liegen neun Rollen: verschieden lange Stoffbahnen auf teilweise vorstehenden Kartonkernen. In einer Reihe lagern sie parallel nebeneinander, gleich breit, doch in unregelmässigem Abstand. Die Art der Auslage, die Farbtöne und Muster ergeben eine rhythmische Anordnung. Unterschiedliche Grundfarben und Einfärbungen lassen den Blick zusätzlich nach Systemen der Ordnung suchen. Vier Rollen haben einen rosafarbenen Grundton, drei sind zartgelb, zwei unterschiedlich blau. Von den Einfärbungen sehen die Betrachter nur einzelne Streifen. Jeder Streifen ist in sich zweifarbig aus schmalen unregelmässigen Streifen, die ineinander- und auseinanderfliessen. Sichtbare Farbkombinationen sind türkis-rot auf rosa, blau-grün auf blau, rosa-rot und rot-orange auf rosa, grün-orange auf hellgelb, rot-grau auf rosa, blau-violett auf blau, orange-violett auf gelb. Farbsysteme klingen an, ihr Einsatz bleibt lebendig weich und experimentierfreudig.
Polly Apfelbaum (*1955) arbeitet mit Mitteln der Malerei, Stoff und Farbe, die sie malerisch, skulptural und installativ einsetzt. Das Verzeichnis ihrer Werke teilt sie ein in die Kategorien Floor, Wall, Table, Ceiling, Outside (Boden, Wand, Tisch, Decke, Draussen). Bones aus dem Jahr 2000 gehört auf den Boden. Zusammengerollt erscheint es weniger als Malerei denn als räumliche Anordnung. Beim Betrachten kann man sich die Handlung des Auseinanderrollens jedoch vorstellen. So hat die Arbeit auch etwas Verborgenes und Performatives. Aus der Nähe erkennt man, dass die Rückseiten des Stoffes obenauf liegen. Die samtene Schauseite bleibt ebenso unsichtbar wie das eigentliche Bild auf den durchgehend in Farbabstufungen gestalteten Stoffbahnen. In der Ausstellung «Skin and Bones» (Haut und Knochen) hat die Künstlerin eine der Rollen hinter einer Wand ausgebreitet. Sie nennt dieses Vorgehen: «keeping something private, unrolled».
Nach dem vielfach ausgerufenen «Tod der Malerei» findet Apfelbaum mit ihrer konzeptionellen und hochsensiblen Arbeitsweise eine ganz eigene Ausdrucksform. Sie spielt auf handwerkliche, dem Basteln nahe Techniken genauso an, wie auf heroisch von Männern formulierte Richtungen und Gesten der Kunst - etwa Action Painting, Pop Art oder Minimalismus.
Einen Vortrag von Polly Apfelbaum mit einem Überblick über das gesamte Werk bis 2016 finden Sie hier: https://www.youtube.com/watch?v=b7sjpjCRXXI
Susanne Kudorfer