Aus der Sammlung

Bones. Malkörper in der abstrakten Malerei

Hallo! Schön, dass Sie da sind und einen Blick in die Ausstellung Bones. Malkörper in der abstrakten Malerei werfen!
Alle Werke sind aus der Sammlung des Kunstmuseum Liechtenstein. Zusammengestellt hat sie Fabian Flückiger im Dialog zur Ausstellung Steven Parrino. Nihilism Is Love.

Von Draussen am besten zu sehen sind:
Bones, 2000 von Polly Apfelbaum und Awesome Power (Red an Blue), 2014 von Pamela Rosenkranz

 

Polly Apfelbaum

*1955 in Abington, PA, USA

Bones, 2000

Kunstmuseum Liechtenstein, Vaduz

 

Direkt auf dem Boden liegen neun Rollen: verschieden lange Stoffbahnen auf teilweise vorstehenden Kartonkernen. In einer Reihe lagern sie parallel nebeneinander, gleich breit, doch in unregelmässigem Abstand. Die Art der Auslage, die Farbtöne und Muster ergeben eine rhythmische Anordnung. Unterschiedliche Grundfarben und Einfärbungen lassen den Blick zusätzlich nach Systemen der Ordnung suchen. Vier Rollen haben einen rosafarbenen Grundton, drei sind zartgelb, zwei unterschiedlich blau. Von den Einfärbungen sehen die Betrachter nur einzelne Streifen. Jeder Streifen ist in sich zweifarbig aus schmalen unregelmässigen Streifen, die ineinander- und auseinanderfliessen. Sichtbare Farbkombinationen sind türkis-rot auf rosa, blau-grün auf blau, rosa-rot und rot-orange auf rosa, grün-orange auf hellgelb, rot-grau auf rosa, blau-violett auf blau, orange-violett auf gelb. Farbsysteme klingen an, ihr Einsatz bleibt lebendig weich und experimentierfreudig. 
 

Polly Apfelbaum (*1955) arbeitet mit Mitteln der Malerei, Stoff und Farbe, die sie malerisch, skulptural und installativ einsetzt. Das Verzeichnis ihrer Werke teilt sie ein in die Kategorien Floor, Wall, Table, Ceiling, Outside (Boden, Wand, Tisch, Decke, Draussen). Bones aus dem Jahr 2000 gehört auf den Boden. Zusammengerollt erscheint es weniger als Malerei denn als räumliche Anordnung. Beim Betrachten kann man sich die Handlung des Auseinanderrollens jedoch vorstellen. So hat die Arbeit auch etwas Verborgenes und Performatives. Aus der Nähe erkennt man, dass die Rückseiten des Stoffes obenauf liegen. Die samtene Schauseite bleibt ebenso unsichtbar wie das eigentliche Bild auf den durchgehend in Farbabstufungen gestalteten Stoffbahnen. In der Ausstellung «Skin and Bones» (Haut und Knochen) hat die Künstlerin eine der Rollen hinter einer Wand ausgebreitet. Sie nennt dieses Vorgehen: «keeping something private, unrolled». 

Nach dem vielfach ausgerufenen «Tod der Malerei» findet Apfelbaum mit ihrer konzeptionellen und hochsensiblen Arbeitsweise eine ganz eigene Ausdrucksform. Sie spielt auf handwerkliche, dem Basteln nahe Techniken genauso an, wie auf heroisch von Männern formulierte Richtungen und Gesten der Kunst - etwa Action Painting, Pop Art oder Minimalismus.

Einen Vortrag von Polly Apfelbaum mit einem Überblick über das gesamte Werk bis 2016 finden Sie hier: https://www.youtube.com/watch?v=b7sjpjCRXXI

Susanne Kudorfer

 

 

Pamela Rosenkranz

* 1979 in Altdorf, Schweiz

Awesome Power (Red and Blue), 2014

7 Paar Asics-Sneakers, Silikon, Pigmente

Dimensionen variabel

Kunstmuseum Liechtenstein, Vaduz

 

Sieben Sneaker-Paare der Marke Asics sind in einer Linie auf dem Fussboden aufgereiht. Paarweise gruppiert als würden hier sieben Menschen startbereit zum Loslaufen stehen. Asics wirbt mit seinen durch Tiger Stripes markierten Sneakern «Wir geben alles um Euch am Laufen zu behalten» – Awesome Power (Red and Blue) (Wahnsinnskraft (Rot und Blau)) heisst die Arbeit von Pamela Rosenkranz aus dem Jahr 2014. Mit ihren Werken spürt Rosenkranz der Lifestyle-, Fitness- und Wellness-Kultur nach. Dabei untersucht sie philosophische, naturwissenschaftliche, geschichtliche und sozialwissenschaftliche Phänomene wie auch die Popkultur. 

Die sieben Schuhpaare ihrer Serie Anima Sana in Corpore Sano (Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper), die auf das namensgebende Motto des Sportartikelherstellers Asics anspielt, weisen verschiedene Grössen auf und sind von Rosenkranz mit Silikon in unterschiedlichen Inkarnat-Tönen gefüllt. Inkarnat, ein Begriff aus der Malerei, bezieht sich auf die malerische Darstellungsweise von Haut. Der eingefärbte Silikonkautschuk ist unter der Bezeichnung «Dragon Skin» im Handel erhältlich und wird für Prothesen und Spezialeffekte im Film verwendet. 

Pamela Rosenkranz untersucht in ihrem Werk die menschliche Haut als «Grenzfläche zwischen dem Körper und seiner Umgebung» in ihrer identitätsbildenden Bedeutung. Die «unbehaarte, glatte und ebene Haut», so die Künstlerin, besässe eine Anziehungskraft, die für die Menschheit evolutionsgeschichtlich von zentraler Bedeutung sei. Makellose Haut ist aber auch eine verführerische Forderung unserer Zeit. Fitness und Regeneration dienen dem Anspruch einer vor Jugendlichkeit strotzenden, gesunden Ausstrahlung. Awesome Power (Red and Blue) lädt ein, sich mit dem gesellschaftlichen Trend geistiger und körperlicher Selbstoptimierung auseinanderzusetzen. Der Verweis auf den menschlichen Körper durch die Hautfarbe, die sich hier gleichsam wie Schweiss in die Sneakers ‹einschreibt›, stellt zugleich eine Leerstelle dar und spricht von einer tiefgründigen Abwesenheit – ein Sinnbild für das Verschwinden von Individualität.

Christiane Meyer-Stoll
 

«Kunst zu machen heisst, zu versuchen, den Augenblick auszudehnen, um einen Einfall auf das gegenwärtige Material zu spreizen und ihn durch die Geschichte zu retten.»

Pamela Rosenkranz