Kunstwerk des Monats Mai

Matthias Frick, Sie leben von den Touristen, 1979

Matthias Frick

1964 in Zürich, Schweiz – 2017 in Nendeln, Liechtenstein


Sie leben von den Touristen, 1979


Buntstift auf Papier
29,3 x 41,5 cm
Kunstmuseum Liechtenstein, Vaduz / Schenkung aus dem Nachlass des Künstlers

 

Diese frühe Farbstiftzeichnung zeigt eine sommerliche Alplandschaft mit Seilbahn. Irritierend sind zwei gigantische Figuren in orange-blaugestreifter Kleidung. Die eine hängt mit allen Vieren am Seil hinter zwei kleinen roten Gondeln; die zweite scheint leicht über der Wiese zu schweben. Ist diese Gestalt ein Bauer mit Pfeife und Sense oder ist es der Tod als Sensenmann? Geschmückt ist diese «männliche Figur» mit Ohrringen, die ihm einen weiblichen Akzent verleihen und die Verflechtung der «Männerästhetik» und der «Frauenästhetik» zeigt. Denn Frick ordnet die Dinge dem Weiblichen und dem Männlichen zu, dem aktiven und dem kontemplativen Leben. Dabei ist wesentlich, dass die Dinge nicht einseitig bleiben, sondern sich durchdringen, dann entsteht Leben.

Zudem finden sich auf der grünen Wiese aufgereiht – gleich einem Ornament – viele kleine Skifahrer mit «gelben Rennanzügen in turnerischer Haltung» (Matthias Frick, März 2012). Aus ihren aufgestellten Skiern erwächst wie aus einem Kelch jeweils eine Blume. Wird der Sensenmann die Skifahrerblumen mähen? Verschiedene Strukturen überlagern sich hier: eine geordnete ornamentale der Skifahrer, gesehen aus der Ferne, mit einer Unordnung bringenden, dem Mäher, gesehen aus der Nähe. Zugleich zeugt diese Zeichnung von Fricks Humor – lautet doch der Titel: «Sie leben von den Touristen». Offen bleibt, wer mit «sie» gemeint ist.

Seit Ende der 1970er-Jahre entwickelte Frick mit seinen Zeichnungen und malerischen Papierarbeiten ein komplexes Weltgebäude: eine persönliche Kosmologie, in deren Tiefgründigkeit ein feinfühliger Humor verborgen liegt. Frick selbst verortete sein Werk im Umfeld der «Art Brut». Erstaunlich ist, dass er dabei das Selbstverständnis dieser «Outsider-Kunst» umkehrte, indem er sie als Wegweiser zu einem neuen Kunstverständnis sah.

Christiane Meyer-Stoll

 

«Das [die Art Brut] ist einfach meins – ich komme immer wieder darauf zurück.»

Matthias Frick

<b>Matthias Frick, Sie leben von den Touristen, 1979</b>
Das Kunstmuseum Liechtenstein stellt jeden Monat ein Werk aus der eigenen Sammlung in den Mittelpunkt der Betrachtung. Auch werden regelmässig Werke aus der Sammlung der Hilti Art Foundation auf diese Weise vorgestellt.