Kunstwerk des Monats Juni

Henri Matisse, Composition, Jaune, Bleu et Noir, 1947, Hilti Art Foundation

Henri Matisse

1869 in Le Cateau-Cambrésis, Frankreich – 1954 Nizza, Frankreich


Composition, Jaune, Bleu et Noir (Komposition, Gelb, Blau und Schwarz), 1947


Gouache auf Papier, geschnitten und geklebt
47 × 34 cm
Hilti Art Foundation, Schaan

 

Nutzte Matisse den Scherenschnitt anfänglich als Hilfsmittel für Bühnen-, Wandbild- und Umschlagentwürfe, so befreite er ihn zunehmend von seiner dienenden bzw. angewandten Funktion, um ihn innerhalb seines Œuvres zu einer eigenständigen Gattung zu entfalten. Dank vollendeter Ausprägung, die der Künstler als Ergebnis einer langen Erfahrung sowie einer perfekten Synthese aus Zeichnung, Malerei und Plastik begriff, konstituierte er dessen in der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts unvergleichliches Spätwerk. In ihm verband Matisse seine klassische Form mit dem Dekorativen, ja dem Leichten und Heiteren.

Composition, Jaune, Bleu et Noir ist ein autonomes und gegenstandsloses Bild. Die Form im Zentrum des Blattes mutet freilich vegetabil an wie mehrheitlich auch jene Formen, die Matisse in den Scherenschnitten an der Wand der Villa le Rêve in Vence, wo er von 1943 bis 1948 wohnte und arbeitete, verwendet hatte. Sie reflektieren nicht nur die üppige Flora, welcher der Künstler 1930 auf einer Reise nach Polynesien begegnet war, sondern generell sein Verhältnis zur Natur, für deren Vielfalt und Rhythmus er in den Scherenschnitten eine ästhetisch vereinfachte Entsprechung suchte.

Ursprünglich hatte Matisse, wie eine Fotografie aus dem Jahre 1948 zeigt, dieses Werk mit zahlreichen anderen Scherenschnitten dicht an dicht an der Zimmerwand in der Villa le Rêve befestigt. Doch schon für die ein Jahr später folgende Ausstellung Henri Matisse: Œuvres Récentes 1947–1948 im Musée National d'Art Moderne in Paris hat er die Blätter, wie wiederum aus einer Fotografie hervorgeht, separiert und gerahmt. Ein drittes Mal erscheint dieser Scherenschnitt auf einer 1953 in der Galerie Berggruen in Paris gemachten Fotografie. Heinz Berggruen war der erste und einzige Galerist, der die Scherenschnitte von Matisse schon zu dessen Lebzeiten ausstellte.

Uwe Wieczorek

 

«Wir heutigen versuchen uns nach heutiger Art auszudrücken – der Art des zwanzigsten Jahrhunderts – und nicht nachzuahmen, was die Griechen vor mehr als zweitausend Jahren in der Kunst sahen und fühlten.»

Henri Matisse

Clara T. MacChesney, A Talk with Matisse, 1912, in: Jack D. Flam, Matisse on Art, E. P. Dutton, New York, 1978, S. 52.

<b>Henri Matisse, Composition, Jaune, Bleu et Noir, 1947, Hilti Art Foundation</b>
Das Kunstmuseum Liechtenstein stellt jeden Monat ein Werk aus der eigenen Sammlung in den Mittelpunkt der Betrachtung. Auch werden regelmässig Werke aus der Sammlung der Hilti Art Foundation auf diese Weise vorgestellt.