Kunstwerk des Monats Oktober

Gerhard von Graevenitz, Zwei schwarze Scheiben auf Weiss, 1971, Hilti Art Foundation

Gerhard von Graevenitz

1934 Schilde / Mark Brandenburg – 1983 Traubachtal, Schweiz


Zwei schwarze Scheiben auf Weiss, 1971


Holz, Metall, Elektromotoren
Ø 120 cm
Hilti Art Foundation, Schaan

 

Gerhard von Graevenitz interessierte sich für das Studium und die Visualisierung von Phänomenen wie Bewegung, Licht, Raum, Zeit, Struktur, Zufall oder Progression. Er gilt als Vertreter der konstruktiv-konkreten Kunst der jüngeren Generation, die sich vor allem der Kinetik zugewandt hatte.
Mit seinen kinetischen Objekten wurde von Graevenitz international bekannt. Dazu zählen die meist quadratischen, weissen Platten mit beweglichen, durch Motoren gesteuerten Applikationen aus Lamellen, Stegen oder Rhomben wie auch die kreisrunden Scheiben, auf die wiederum kleinere kreisrunde, bewegliche Scheiben montiert sind.
Das erste kinetische Objekt des Künstlers entstand 1961 in München, wo er es auch patentieren liess. Zwei schwarze Scheiben auf Weiss erscheint auf den ersten Blick wie das «coole» Abstraktum eines technischen Geräts. Die kreisrunde Form des Tondos galt in der Kunstgeschichte, vornehmlich in der Renaissance, als ein ideales und in seiner Perfektion unantastbares Format, in dem Botticelli, Raffael oder Michelangelo ihre Madonnen gemalt haben. Von Graevenitz definiert seine runden Scheiben als ein unabhängiges Feld, das die Betrachter:innen mit ganz neuen Seherfahrungen konfrontiert, denn die unvorhersehbaren und zufälligen Bewegungsabläufe der einzelnen Teile irritieren und stören unsere Wahrnehmung. Sie folgen keinem wiedererkennbaren Rhythmus, sondern produzieren immer wieder neue Bild-Konstellationen. Im vorliegenden Werk drehen sich die schwarzen Scheiben langsam in alle Richtungen auf der weissen Scheibe, die sich ihrerseits um die eigene Achse dreht. Hier werden zwei verschiedene, voneinander unabhängige Bewegungsabläufe miteinander kombiniert, die – unseren Himmelskörpern ähnlich – bei allem harmonischen Fluss zu äussert überraschenden Begegnungen führen und den Betrachter optisch und intellektuell herausfordern, da sie «keine Einsicht in das Regelsystem geben».

Angela Schneider

 

«die kinetischen objekte produzieren veränderung selbst, und hier hat die beschränkung auf weiss die funktion, den grösstmöglichen nachdruck auf die bewegung zu legen.»

Gerhard von Graevenitz

<b>Gerhard von Graevenitz, Zwei schwarze Scheiben auf Weiss, 1971, Hilti Art Foundation</b>
Das Kunstmuseum Liechtenstein stellt jeden Monat ein Werk aus der eigenen Sammlung in den Mittelpunkt der Betrachtung. Auch werden regelmässig Werke aus der Sammlung der Hilti Art Foundation auf diese Weise vorgestellt.