Fahnentuch (Trevira CS), Paillettenstoff
550 × 1300 cm; Ausstellungskopie: 395 × 1230 cm
Kunstmuseum Liechtenstein, Vaduz
Ein glitzernder, goldener Vorhang mit unzähligen Pailletten. Jeder Lufthauch bewirkt ein Changieren des Schimmerns. Zart scheint durch den transparenten Stoff das Himmelblau der Rückseite hervor. 2009 realisierte Charlotte Moth die erste Fassung im «Schaufenster» des Düsseldorfer Kunstvereins. Ebenfalls aus goldenem Paillettenstoff gefertigt, schien dort jedoch ein mattglänzendes Dunkelbraun hervor. Anders als in der zehnten und letzten Fassung in Vaduz gab es keine Möglichkeit eines Durchganges. Das Werk konnte einzig durch das Schaufenster betrachtet werden. «Angesichts dieser Situation begann ich darüber nachzudenken, was es bedeutet, etwas von nur einer Seite zu sehen. Darüber, wie etwas das Gefühl einer Oberfläche vermitteln kann, die sowohl sichtbar (die Rückwand) als auch durchlässig, aber greifbar (die Glasscheibe) ist.» (Charlotte Moth)
Der poetisch tautologische Titel, der einer Notiz des Künstlers Alighiero Boetti von 1965 entnommen ist, führt zugleich in das Wesen des Œuvres von Moth ein. Verbirgt sich in dieser Aussage doch ein Verweis darauf, dass in jedem Augenblick und hinter jeder Oberfläche, sich in allem und besonders im Alltäglichen etwas entzünden kann: ein Moment des Entdeckens oder der Inspiration. Unmittelbar werden die Besucher:innen von Behind every surface empfangen und buchstäblich übergibt Moth die Bühne den Eintretenden. In Moths Werk ist alles in Beziehung, bedingt sich gegenseitig. Das Prinzip des Statischen impliziert das Dynamische, die Ruhe die Bewegung: Dabei liegt der Hauptakzent in der Aufhebung eines statischen, materiellen Selbstverständnisses.
Mit dem Gehen intensivieren sich die Lichtreflexionen auf den Pailletten und wenn die Besucher:innen hinter den Vorhang treten, eröffnet sich ihnen ein Raum, den das Werk zuvor verhüllte. Der Vorhang erweist sich als Sinnbild schlechthin: Verhüllung und Enthüllung sind ihm immanent.
Christiane Meyer-Stoll
«Der Denkprozess spielt eine wichtige Rolle. [...] Es geht um den Augenblick, in dem Dinge in einem bestimmten Kontext ins Spiel gebracht werden. Ein Gespräch ist ein Denkprozess; wir bilden Gedanken, während wir sprechen. Es kommt also auf die unendlichen Figuren oder Möglichkeiten an, die sich durch den Verlauf eines Gesprächs ergeben können.»
Charlotte Moth
zit. nach Jennifer Burris, «Charlotte Moth. Infinite configurations: collection, space, and story», in: Bomb Magazine, 4. Sept. 2014, http://bombmagazine.org/article/1000206/charlotte-moth (Zugriff: 3.11.2022)