Kunstwerk des Monats Dezember

Charlotte Moth, Behind every surface there is a mystery: a hand that might emerge, an image that might be kindled, or a structure that might reveal its image, #10, 2016

Charlotte Moth

1978 in Carshalton, England


Behind every surface there is a mystery: a hand that might emerge, an image that might be kindled, or a structure that might reveal its image, #10
(Hinter jeder Oberfläche verbirgt sich ein Geheimnis: eine Hand, die in Erscheinung treten kann, ein Bild, das sich entzünden kann, oder eine Struktur, die ihr Bild zeigen kann, #10), 2016


Fahnentuch (Trevira CS), Paillettenstoff
550 × 1300 cm; Ausstellungskopie: 395 × 1230 cm
Kunstmuseum Liechtenstein, Vaduz

 

Ein glitzernder, goldener Vorhang mit unzähligen Pailletten. Jeder Lufthauch bewirkt ein Changieren des Schimmerns. Zart scheint durch den transparenten Stoff das Himmelblau der Rückseite hervor. 2009 realisierte Charlotte Moth die erste Fassung im «Schaufenster» des Düsseldorfer Kunstvereins. Ebenfalls aus goldenem Paillettenstoff gefertigt, schien dort jedoch ein mattglänzendes Dunkelbraun hervor. Anders als in der zehnten und letzten Fassung in Vaduz gab es keine Möglichkeit eines Durchganges. Das Werk konnte einzig durch das Schaufenster betrachtet werden. «Angesichts dieser Situation begann ich darüber nachzudenken, was es bedeutet, etwas von nur einer Seite zu sehen. Darüber, wie etwas das Gefühl einer Oberfläche vermitteln kann, die sowohl sichtbar (die Rückwand) als auch durchlässig, aber greifbar (die Glasscheibe) ist.» (Charlotte Moth)
Der poetisch tautologische Titel, der einer Notiz des Künstlers Alighiero Boetti von 1965 entnommen ist, führt zugleich in das Wesen des Œuvres von Moth ein. Verbirgt sich in dieser Aussage doch ein Verweis darauf, dass in jedem Augenblick und hinter jeder Oberfläche, sich in allem und besonders im Alltäglichen etwas entzünden kann: ein Moment des Entdeckens oder der Inspiration. Unmittelbar werden die Besucher:innen von Behind every surface empfangen und buchstäblich übergibt Moth die Bühne den Eintretenden. In Moths Werk ist alles in Beziehung, bedingt sich gegenseitig. Das Prinzip des Statischen impliziert das Dynamische, die Ruhe die Bewegung: Dabei liegt der Hauptakzent in der Aufhebung eines statischen, materiellen Selbstverständnisses.
Mit dem Gehen intensivieren sich die Lichtreflexionen auf den Pailletten und wenn die Besucher:innen hinter den Vorhang treten, eröffnet sich ihnen ein Raum, den das Werk zuvor verhüllte. Der Vorhang erweist sich als Sinnbild schlechthin: Verhüllung und Enthüllung sind ihm immanent.

Christiane Meyer-Stoll

 

«Der Denkprozess spielt eine wichtige Rolle. [...] Es geht um den Augenblick, in dem Dinge in einem bestimmten Kontext ins Spiel gebracht werden. Ein Gespräch ist ein Denkprozess; wir bilden Gedanken, während wir sprechen. Es kommt also auf die unendlichen Figuren oder Möglichkeiten an, die sich durch den Verlauf eines Gesprächs ergeben können.»

Charlotte Moth


zit. nach Jennifer Burris, «Charlotte Moth. Infinite configurations: collection, space, and story», in: Bomb Magazine, 4. Sept. 2014, http://bombmagazine.org/article/1000206/charlotte-moth (Zugriff: 3.11.2022)

<b>Charlotte Moth, Behind every surface there is a mystery: a hand that might emerge, an image that might be kindled, or a structure that might reveal its image, #10, 2016</b>
Das Kunstmuseum Liechtenstein stellt jeden Monat ein Werk aus der eigenen Sammlung in den Mittelpunkt der Betrachtung. Auch werden regelmässig Werke aus der Sammlung der Hilti Art Foundation auf diese Weise vorgestellt.