Set von 6 Offset-Lithografien auf Karton in Plastiketui, Gebrauchsanweisung auf Stanniolpapier. Zu betrachten, wie sie sich mit 33 1/3 Umdrehungen pro Minute drehen.
Durchmesser: je 20 cm, Serie 133
Kunstmuseum Liechtenstein, Vaduz
Die Rotoreliefs (1935) von Marcel Duchamp sind Teil einer Reihe optisch-kinetischer Experimente und zeigen beispielhaft seine Auseinandersetzung mit mechanischen Vorgängen und optischen Effekten. Der erste Verkaufsversuch auf der Messe Concours Lépine in Paris 1935 war zwar wenig erfolgreich (von 500 Sets wurden 3 verkauft), entspricht aber der Idee, die auch in Duchamps Schachteln zum Ausdruck gebracht wird, ein eigenes Set von Reproduktionen mit nach Hause nehmen zu können.
Jede Disk ist beidseitig mit einem eigenen Motiv und dem dazugehörigen Titel bedruckt. Beim Auflegen auf einen Plattenspieler entsteht durch die Rotation ein «Bild im Relief»: ein bewegtes, dreidimensionales Objekt oder eine spiralförmige Konstruktion, die eine hypnotische Illusion erzeugt. Die Künstlerin Bethan Huws, deren Werk von einer tiefen Auseinandersetzung mit Duchamp geprägt ist, schreibt über die Gestaltung der Disks:
«Mit Ausnahme von Lampe, gleich zu Beginn, ist die Gestaltung der Rückseiten abstrakt. Korolla: umfasst die Gesamtheit der Blütenblätter einer Blüte. Reifen: (1) eine kreisförmige Form oder ein Ring; (2) wie beim Turnen. Englische Redensart: «to run rings around someone», jemanden austricksen. Böhmisches Glas: Böhmisches oder Kristallglas ist das feinste Glas weltweit. Es wird in verschiedenen Regionen Böhmens hergestellt. Seit George Sand (1804–76) werden auch Künstler:innen und Studierende Bohemians genannt.»
Bereits 1925 erschienen erste Rotoreliefs (in Kombination mit für Duchamp typischen Wortspielen) im Film Anémic Cinéma, den Duchamp zusammen mit Man Ray und Marc Allegrét unter seinem Alter Ego Rrose Sélavy veröffentlichte. In Hans Richters Film Dreams That Money Can Buy (1947) wurden die Rotoreliefs in einer von Duchamp inszenierten Traumsequenz gezeigt. Die Sequenz wird von 03:22 Min., einer Komposition von John Cage, begleitet. Dementsprechend wären die Rotoreliefs mit 33 1/3 Umdrehungen pro Minute zu betrachten.
Leslie Ospelt
«Betrachtet man das Nummerierungssystem der Scheiben, ist gleich zu Beginn etwas merkwürdig. Wir beginnen bei 1 auf der Vorderseite, gehen zu 4 auf der Rückseite, dann zu 2, 3, dann springen wir zu 5, was keinen Sinn ergibt. Aber wenn wir eine andere Strategie wählen und die Ziffern stattdessen addieren, kommen wir auf die Summe 78. Umgedreht ergeben die Ziffern 87: Duchamps Geburtsjahr (1887).»
Bethan Huws
Aus dem Begleitheft zur Ausstellung Artist's Choice: Bethan Huws (2024).