Video, s/w, Ton, 18' 4''
Kunstmuseum Liechtenstein, Vaduz
In Baldessaris Video Teaching a Plant the Alphabet (Eine Pflanze das Alphabet lehren) aus dem Jahr 1972 sieht man eine Topfpflanze, um genau zu sein eine Bananenpflanze, auf einem Hocker vor weissem Hintergrund. In geduldig repetitierender Langsamkeit hält die Hand des Künstlers der Pflanze nach und nach Lernkarten für Elementarschüler mit den Buchstaben des Alphabets vor. Dabei hört man Baldessari unermüdlich den jeweiligen Buchstaben auf der Karte phonetisch wiederholen: A A A A – B B B B – C C C C … «Macht es Sinn, einer Pflanze das Alphabet zu lehren?», lautet die Frage einer Arbeitsnotiz des Künstlers, aus der sich die Videoarbeit entwickelte.
Macht es also Sinn, dies zu tun? Dem allgemeinen Verständnis nach ist der Zuseher hier mit einem grotesk absurden Arrangement konfrontiert. Der Künstler verkehrt die logische Handlung des Lehrens in eine unlogische Übung vergeblicher Wiederholung und führt die Situation auf eine Ebene humoristischer Irritation. Spielerisch und subtil ironisch hinterfragt Baldessari ein trockenes, auf monotoner Wissensvermittlung basierendes Lehrsystem. Dabei konfrontiert uns die Absurdität der Handlung mit unseren vorgefassten Ideen und Erwartungen, was Kunst und Lehren ist.
Der Pflanzengenetiker Daniel Chamovitz formuliert in seinem Buch Was Pflanzen wissen: «Halten Sie sich einmal vor Augen: Pflanzen sehen Sie. Pflanzen überwachen ständig ihre sichtbare Umgebung. Sie sehen es, wenn Sie in ihre Nähe kommen, und wissen, wann Sie sich über sie beugen. Sie wissen sogar, ob Sie ein blaues oder ein rotes Hemd anhaben.» Ob die visuelle Ansprache Baldessaris oder seine phonetischen Laute für den pflanzlichen Beobachter wohl von Interesse sind? Und dies womöglich in einer anderen, unserem Verständnis nach nicht unmittelbar sinngebenden Weise?
Mit Teaching a Plant the Alphabet bezieht sich Baldessari auf strukturalistische Theorien über die künstliche Ordnung von Sprache. Der Natur in Form der Pflanze wird das sinnerzeugende Zeichensystem gegenübergestellt. Durch die paradoxe Konstellation wird die künstliche Natur der sprachlichen Struktur zum Schmunzeln anregend verbildlicht.
Denise Rigaud
«Ich versuche nicht, lustig zu sein. Ich habe nur das Gefühl, dass die Welt ein bisschen absurd und aus dem Gleichgewicht geraten ist, und ich berichte irgendwie davon.»
John Baldessari